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Aktuelles aus dem Kreisverband

Letzter Ausweg Wohnwagen

Schnee glitzert in der Morgensonne, Eiszapfen hängen an den Dächern der Wohnwagen und es herrscht Stille in der Obdachlosenunterkunft der Gemeinde Höhenkirchen-Siegertsbrunn. Der Hausmeister hat schon fleißig Wege freigeschaufelt, die zwischen acht Wohnwagen, drei Containern, einem großen Gemeinschaftscontainer mit Küche und Aufenthaltsraum sowie den Toiletten verlaufen.

Aus der dicken Schneedecke ragen die Flaggen der Heimatländer, aus denen die Menschen stammen, die hier auf engem Raum zusammen wohnen: unter anderem Nigeria, Äthiopien, Afghanistan. Zwei Bewohner sind Deutsche. Derzeit beherbergt die Unterkunft insgesamt 15 Menschen – darunter fünf Kinder. Seit Januar betreut die AWO-Mitarbeiterin Michaela Sorgatz die Bewohner, unterstützt sie bei Anträgen, bei alltäglichen Problemen und natürlich bei der Suche nach Wohnraum.

„Hier leben diejenigen, die auf dem ohnehin schwierigen Mietmarkt im Landkreis am wenigsten Chancen haben“, sagt die Pädagogin, die für die „Wohnungsnotfallhilfe“ des AWO-Kreisverbandes München-Land im Einsatz ist. Bei den meisten handele es sich um anerkannte Asylbewerber, die zunächst in Flüchtlingsunterkünften untergebracht waren. Nach der Anerkennung müssen sie diese verlassen. Oft bleibt ihnen dann nur noch die Möglichkeit, sich obdachlos melden. Da in Höhenkirchen-Siegertsbrunn kein anderer Wohnraum zur Verfügung steht, bedeutet das, vorübergehend in einen Container oder in einen Wohnwagen zu ziehen.

Sprachbarrieren, Arbeitslosigkeit und der Faktor „Ausländer“ erschweren es ihnen, auf dem Wohnungsmarkt im Großraum München Fuß zu fassen. „Zunächst müssen wir klären, welche individuelle persönliche Situation und Wohnperspektive gilt“, so die 42-Jährige. Manche dürften in ländliche Regionen ausweichen, in denen es noch bezahlbare Wohnungen gibt. Andere sind – je nach Art der Aufenthaltserlaubnis – gesetzlich an den Landkreis gebunden mit seinen hohen Mieten und dem knappen Angebot.

Stolze Erfolgsquote: Wohnungsnotfallhilfe legt Jahresbericht vor

Davon können auch ihre Kolleginnen und der Kollege der „Fachstelle zur Verhinderung von Obdachlosigkeit“ (FOL) ein trauriges Lied singen. Seit 2007 finanziert der Landkreis München die Beratungsstelle FOL, die wie drei Obdachlosenunterkünfte und das Unterstützte Wohnung zur AWO-Wohnungsnotfallhilfe gehört. An das Team kann sich jeder wenden, dem aus unterschiedlichsten Gründen der Verlust seines Wohnraums und somit im schlimmsten Fall die Obdachlosigkeit drohen. „Ganz am Anfang sind wir nur von 200 Fällen im Jahr ausgegangen“, erinnert sich Stefan Wallner, der die Einrichtung gemeinsam mit Angela Pfister-Resch leitet. Doch die Anfragen stiegen stetig an – besonders im vergangenen Jahr.

2014 verzeichnete das Team ein neues Rekordhoch: 1311 Fälle wurden allein von der „Fachstelle zur Verhinderung von Obdachlosigkeit“ bearbeitet, 162 mehr als im Vorjahr. Ein Großteil, nämlich über 70 Prozent, fließt als „positiv abgeschlossen“ in die Statistik ein. Das heißt, dass der Betroffene seinen Wohnraum behalten konnte oder neuen gefunden hat. Oft durch das Engagement der AWO-Berater, die mit dem Vermieter verhandeln, eine Übernahme der Mietschulden bewirken oder bei der Wohnungssuche unterstützen konnten. „Das ist eine hohe Erfolgsquote, auf die wir sehr stolz sind“, so AWO-Geschäftsführer Michael Wüstendörfer.

Hinsichtlich der Personengruppen, welche die Hilfe der Sozialarbeiter in Anspruch nehmen, lassen sich aus der Statistik folgende Erkenntnisse ableiten: Der mit Abstand größte Teil wohnt zur Miete (1000 Fälle) und hat die deutsche Staatsangehörigkeit (781 Fälle). Nahezu die Hälfte aller Hilfesuchenden lebt alleine, darauf folgen Familien und Alleinerziehende.

Über das Alter der Betroffenen lassen sich nur vage Aussagen treffen, da nur bei der Hälfte der „Klienten“ ein Geburtsdatum vorliegt: Am stärksten vertreten sind jedoch die Altersgruppen zwischen 46 und 55 Jahren (27 Prozent) und zwischen 26 und 35 Jahren (23 Prozent). Welche Ausbildung haben die Menschen, für die sich die FOL engagiert und wie finanzieren sie ihren Lebensunterhalt? Der weitaus größte Teil hat eine abgeschlossene Berufsausbildung (476 Fälle), 246 Ratsuchende nicht.

In der Obdachlosenunterkunft, die Michaela Sorgatz in Höhenkirchen-Siegertsbrunn betreut, leben einige, die arbeiten und regelmäßige Einkommen beziehen. Eine berufstätige Frau berichtet, dass sie schon lange erfolglos nach einer Wohnung sucht. Ein Blick in die Statistik macht wenig Mut: Im Landkreis München, so haben es die Kollegen der FOL errechnet, benötigt man im Durchschnitt 230 Tage, um etwas Neues zu finden.

Katrin Mormann

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